Entscheidung des BFH vom 14. Oktober 2024
In einem aktuellen Urteil vom 14. Oktober 2024 hat der Bundesfinanzhof (BFH) präzisiert, wie die Grunderwerbsteuer bei der vorzeitigen Verlängerung eines Erbbaurechts zu berechnen ist. Der Fokus lag auf der Frage, ob der kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum abzuzinsen ist und ob Einmalzahlungen in die Steuerbemessung einzubeziehen sind.
Hintergrund: Was ist ein Erbbaurecht?
Ein Erbbaurecht ist das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten und zu nutzen. Anstelle eines Grundstückskaufs zahlt der Erbbauberechtigte einen regelmäßigen Erbbauzins an den Grundstückseigentümer. Solche Rechte werden in der Regel für sehr lange Zeiträume, oft für mehrere Jahrzehnte, eingeräumt. Wird die Laufzeit eines Erbbaurechts verlängert, kann dies steuerliche Folgen haben, insbesondere hinsichtlich der Grunderwerbsteuer.
Der Streitfall: Vorzeitige Verlängerung eines Erbbaurechts
Im vorliegenden Fall ging es um die Klägerin, die ein Erbbaurecht an einem Grundstück innehatte, auf dem ein Hotel errichtet war. Der ursprüngliche Erbbaurechtsvertrag wurde 1989 notariell beurkundet und war bis zum 31. Dezember 2070 befristet. Im Jahr 2018 wurde der Vertrag jedoch geändert, wodurch die Laufzeit des Erbbaurechts um weitere 44 Jahre bis zum 31. Dezember 2114 verlängert wurde. Im Zuge der Vertragsänderung wurde ein neuer, einheitlicher Erbbauzins vereinbart, der den bisherigen Zins und eine zusätzliche umsatzabhängige Abgabe ersetzte. Zudem wurde eine einmalige Zahlung von 10,4 Mio. EUR an die Grundstückseigentümerin vereinbart, um eine Grundschuld zu löschen und die Finanzierung zu erleichtern.
Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
Nach dem Grunderwerbsteuergesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) unterliegen nicht nur Grundstückskäufe, sondern auch andere Rechtsgeschäfte, die Ansprüche auf Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte betreffen, der Grunderwerbsteuer. Erbbaurechte gelten gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG als grundstücksgleiche Rechte. Bei der Verlängerung eines solchen Rechts muss die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer neu festgelegt werden. Die Steuer wird dabei gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung bemessen, was in diesem Fall der kapitalisierte Erbbauzins für die Dauer der Verlängerung ist.
Das Finanzamt setzte für den Verlängerungszeitraum einen kapitalisierten Erbbauzins von rund 56,98 Mio. EUR an, der auf einem vereinbarten jährlichen Erbbauzins von 3,37 Mio. EUR basierte. Der Kapitalwert wurde mithilfe des Vervielfältigers von 16,910 aus Anlage 9a des Bewertungsgesetzes (BewG) berechnet, der sich aufgrund der 44-jährigen Verlängerung ergab. Zusätzlich wurde die Einmalzahlung von 10,4 Mio. EUR als Gegenleistung herangezogen.
Streitpunkt: Abzinsung des Erbbauzinses
Die Klägerin argumentierte, dass der kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum auf den Zeitpunkt der Vertragsänderung abzuzinsen sei, da die Zahlungen für den Erbbauzins erst mit Beginn des Verlängerungszeitraums, also ab 2071, fällig würden. Ihrer Ansicht nach hätte der Kapitalwert somit geringer ausfallen müssen, da der Bewertungszeitpunkt der notarielle Abschluss der Verlängerungsvereinbarung im Jahr 2018 war.
Das Finanzgericht (FG) entschied jedoch, dass keine Abzinsung vorzunehmen sei. Der BFH bestätigte dieses Urteil. Der Kapitalwert des Erbbauzinses für den Verlängerungszeitraum sei vollständig anzusetzen, ohne Abzinsung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Der BFH begründete dies damit, dass der Erbbauzins erst ab Beginn der Verlängerung zu zahlen sei, weshalb der Kapitalwert ohne Berücksichtigung des Vorzeitpunkts berechnet werde.
Einmalzahlung und Grunderwerbsteuer
Ein weiterer Streitpunkt war die Frage, ob die Einmalzahlung von 10,4 Mio. EUR, die im Zusammenhang mit der Löschung einer Grundschuld und der Finanzierungserleichterung vereinbart wurde, ebenfalls in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sei. Das Finanzgericht gab der Klägerin teilweise Recht und entschied, dass die Einmalzahlung nicht als Gegenleistung für die Verlängerung des Erbbaurechts anzusehen sei und daher nicht in die Steuerbemessung einfließen sollte. Der BFH ließ diese Frage aufgrund des Verböserungsverbots, das im Revisionsverfahren gilt, offen und bestätigte die Entscheidung des FG in diesem Punkt.
Fazit
Der BFH stellte klar, dass bei der Verlängerung eines Erbbaurechts der kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum die wesentliche Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer darstellt. Eine Abzinsung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ist nicht erforderlich, da die Zahlung des Erbbauzinses erst mit Beginn der Verlängerungsperiode erfolgt. Zudem kann eine einmalige Zahlung, die im Zusammenhang mit der Vertragsverlängerung vereinbart wird, unter bestimmten Umständen nicht in die Bemessungsgrundlage der Steuer einbezogen werden.
Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen auf die Praxis, insbesondere für Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigte, die vorzeitig über Verlängerungen ihrer Erbbaurechtsverträge verhandeln. Die korrekte Berechnung der Grunderwerbsteuer ist dabei ein wesentlicher Aspekt, der im Rahmen solcher Vereinbarungen berücksichtigt werden muss.
Über die Autorin:
Wirtschaftsjuristin Laura Eckert-Rinallo ist seit vielen Jahren in der Immobilienwirtschaft als Referentin, Speakerin sowie Expertin für Makler- und Verwalterfortbildungen bekannt.
Ihre langjährigen praktischen Erfahrungen, die sie in der Rechtsabteilung eines großen Immobilienkonzerns sowie während ihrer Tätigkeit in der Immobilienvermittlung und Immobilienberatung (Eckert-Rinallo Immobilien) sammelt und bereits gesammelt hat, lässt sie regelmäßig in ihre Seminare einfließen und verhilft den Teilnehmenden somit praxisnah durch Wissensvorsprung zum Erfolg. Darüber hinaus ist sie als Dozentin an einer Technischen Hochschule tätig, wo sie, abgesehen von klassischen Vorlesungen, auch umfangreiche immobilienwirtschaftliche Praxisprojekte mit namhaften Unternehmen betreut.
Derzeit promoviert sie parallel im mietrechtlichen Bereich und verfasst für einen Fachverlag ein Buch zum Thema „WEG-Verwaltung“.
2023 war Sie für den renommierten Deutschen Immobilienpreis nominiert.
2024 wurde Sie mit dem MAT-Award der Immobilienbranche ausgezeichnet.
Seit Juni 2024 ist sie Host und Moderatorin der Facebookgruppe „Verwaltersprechstunde“ mit über 1.200 Mitgliedern.
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